Nachhaltigkeit

"Physalis und Sternfrüchte braucht kein Mensch.“

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von KatharinaCooks

1.2.2018

Die "Alte Liebe" ist ein Slowfood-Restaurant im Herzen Augsburgs. Inhaber und Koch Benjamin Mitschele sprach mit mir über seinen Beruf und wie nachhaltiges Arbeiten funktionieren kann. Dabei verriet er mir einige Geheimtipps für die eigene Küche.

Benjamin, warum spielen für dich die Themen Regionalität, Saisonalität und Nachhaltigkeit eine Rolle in deinem Beruf?

Zum einen ist es meine Erfahrung in der gehobenen Küche, wo teilweise sehr verschwenderisch mit Lebensmittel umgegangen wurde. Zum anderen bin ich kein großer Fan von stark verarbeiteten Lebensmitteln und Zusatzstoffen im Essen. Privat versuche ich mich hauptsächlich biologisch zu ernähren. Außerdem kann man mit der Investition in kleine regionale Betriebe Geld in die richtigen Kanäle führen, wo es Menschen und Betriebe erreicht, die sich für tolle und wertige Produkte und ihre Leidenschaft einsetzen. Einfach nicht nur Teil der Wirtschaft sein, sondern auch mitentscheiden. Das finde ich wichtig.

Wie nachhaltig arbeitet ihr in deinem Restaurant "Alte Liebe"?

Wir versuchen so nachhaltig wie möglich zu arbeiten, schaffen das aber nur bedingt. Das ist tragisch. Komplett nachhaltig zu arbeiten würde bedeuten, dass wir die Preise anheben müssten. Zudem gibt es in Augsburg leider auch noch kein gutes Netzwerk für nachhaltige Kleinbetriebe und Erzeuger.

Ist das ein regionales Thema? Du hast zuvor in Berlin gearbeitet. Waren dort die Menschen bereit, mehr Geld für regionale und saisonale Gerichte auszugeben als in Augsburg?

Ich denke teilweise schon, ja. Zum einen ist Essen inzwischen in der HIP-Kultur angekommen, die in Berlin stärker vertreten ist. Zum anderen gibt es in einer Großstadt wie Berlin automatisch mehr Menschen, denen hochwertige Lebensmittel wichtig sind und die bereit sind, dafür das nötige Geld auszugeben. Grundsätzlich sind unsere Lebensmittel im Allgemeinen viel zu billig. Das ist zumindest mein Eindruck.

Zum Thema Regionalität: Wo kauft ihr eure Lebensmittel ein?

Einer unserer liebsten Lieferanten ist der Pfänderhof in Schwabmünchen. Ein Bio-Betrieb, von dem wir unser Gemüse und unsere Grundprodukte, zum Beispiel Zwiebeln, Rote Bete und Karotten, beziehen. Was wir saisonal dort bekommen, kaufen wir auch dort. Wöchentlich bekomme ich eine Bestellliste per E-Mail. Das Angebot ist in einigen Monaten, wie Januar bis März, recht klein. Weshalb wir restliche Zutaten beim Großmarkt holen. Allerdings kaufen wir auch auf dem Augsburger Stadtmarkt ein. Renate Haag, unsere Gemüsehändlerin dort, achtet genauso auf die Herkunft der Lebensmittel. Noch ein Tipp für alle Augsburger: Carotte ist ein kleiner Gartenbaubetrieb, der saisonal und biologisch arbeitet und an die Ulrichswerkstätten angeschlossen ist. Dort bauen mitten in der Stadt Menschen mit Beeinträchtigungen Gemüse an, welches im eigenen Hofladen verkauft wird. Dort rufe ich einfach an, wenn ich etwas brauche und hole die Lebensmittel ab.

Zur Planung deiner Gerichte: Gibt die Saison vor, was du kochst?

Klar, überwiegend schon! Wir arbeiten so gut es geht saisonal und im Winter wird man bei uns kein Gericht auf der Speisekarte finden, welches sich um Tomaten dreht. Aber wir können es uns leider nicht leisten nur mit Kartoffeln, Kohl und Karotten zu arbeiten.

Nun zum Kochen: Was inspiriert dich bei der Entwicklung deiner Gerichte?

Sicherlich die eigene Freude am Essen und am Genuss. Da leitet mich die Frage „Was würde ich jetzt gerne essen?“. Die Inspiration kann aber auch aus Kochbüchern oder anderen Restaurants kommen. Manchmal schlendere ich auch über den Augsburger Stadtmarkt und lasse mich von der Gemüseauslage inspirieren. Ganz wichtig bei der Entwicklung meiner Gerichte ist aber die Zusammenarbeit mit meinen Köchen.

Mit welchem Gemüse kochst du am liebsten?

Das ist im stetigen Wandel und gibt meist die Saison vor. Wenn der erste Spargel kommt, freue ich mich sehr darauf. Aber wenn ich dann vier Wochen damit gearbeitet habe, würde ich ihn mir zu Hause nicht mehr zubereiten. Was ich wirklich, wirklich liebe sind Rote Beten bzw. Beten an sich. Bedauerlich finde ich, dass es selten gute Kartoffeln gibt. Denn Kartoffeln können so gut schmecken! Und noch ein Lieblingsgemüse von mir: die gemeine Zwiebel und der Kohl.

Was kein Mensch braucht, sind Physalis und Sternfrüchte. Die zwar auf dem Teller nett aussehen, aber doch nur weggeschmissen werden.

Du könntest nicht kochen ohne…

Salz und Säure durch Weine, Essige und Zitrusfrüchte!

Wäre das gleich ein Tipp zum Würzen von dir?

Ja absolut. Ein Quäntchen Salz kann tatsächlich darüber entscheiden, ob etwas banal oder wirklich gut schmeckt.

Immer mehr Ernährungstrends und -strömungen kommen auf. Wie macht sich das in der Gastronomie bemerkbar? Muss man flexibler werden als Koch?

Wir gehen immer auf Wünsche ein, denn es soll ein Ort des Genusses sein. Ich will den Leuten nichts vorschreiben. Wir bieten selbst kein veganes Gericht an, da es einfach nicht unserem Kochstil entspricht. Dennoch bieten wir gerne Veganern eine Alternative an. Ein vegetarisches Angebot haben wir natürlich. Was aber doch häufiger vorkommt sind Unverträglichkeiten gegen bestimmte Lebensmittel. Aber generell kommt unsere Kundschaft aufgrund unserer Speisekarte hierher.

Verrätst du uns deine Tipps für Verwertung von Essensresten?

Pangrattato – kommt aus dem Italienischen und wird auch Parmesan der armen Leute genannt. Damit arbeiten wir ganz viel. Wenn man altes Brot mit einer Gemüsereibe aufhobelt und das mit Butter oder Olivenöl kross anbrät. Das bringt eine gewisse Knusprigkeit auf viele Gerichte und passt hervorragend zu Pasta. Man kann das auch gut mit Knoblauch oder Zitronenschale verfeinern.

Achtet ihr selbst beim Kochen darauf, alles vom Gemüse zu verwenden?

Absolut! Vom Brokkoli z.B. verwenden wir auch gerne den Strunk. Geschält kann man ihn roh essen, was sehr delikat ist. Aber wenn man ihn mit etwas Salz, Zucker und Säure behandelt, dann hat man ein schnelles Pickling und kriegt eine andere geschmackliche Komponente zum Brokkoli dazu. In der Restaurantküche kann man Karottenschalen, Petersilienstängel usw. sammeln und daraus Suppenfonds oder Soßen ansetzen. Für ein Risotto hat man dann eine tolle Brühe zur Hand.

Wieso bist du Koch geworden? Kindheitstraum oder Liebe zum Essen?

Beides. Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht. Kurz mal ins Studieren hinein geschnuppert, aber letztendlich hat die Lust am händischen Arbeiten überwogen. Ist ja auch ein schönes und vor allen Dingen ein unendliches Handwerk. Man lernt nie aus.

Was motiviert dich als Koch? Kommt denn genug Lob von den Gästen?

Motivation ist der Anspruch an mich selbst sich stetig verbessern zu wollen und natürlich ganz wichtig : das Lob der Gäste. Man kennt ja selbst vielleicht das wohlige Gefühl nach einem guten Essen. Das ist ja etwas, was einen berührt und wenn man sowas dann gesagt bekommt oder ich merke, dass das Essen den Gast berührt hat, dann ist das ein riesen Antrieb! Das ist schon schön, wenn man mit dem Gericht den Nerv getroffen hat, denn schließlich unterliegt jeder Teller, der die Küche verlässt, einer Bewertung.

Dein liebstes vegetarisches Gericht?

Auf jeden Fall Pasta – immer! Ja, Pasta mit Tomatensauce und der Salat meiner Mutter.

Entspannung zum Kochalltag?

Die Sonntagsspaziergänge und Restaurantbesuche mit meiner lieben Freundin.

Wie ist das Arbeiten in der Küche mit deinen Köchen?

Wenn der Service beginnt, das Haus voll ist und die Gerichte bestellt sind, dann ist oftmals keine Zeit mehr für Höflichkeitsformen wie "Bitte" und "Danke". Das kann einem, der das nicht gewöhnt ist, schon etwas aggressiv vorkommen. Das kommt aber einfach vom Druck und Adrenalin. Aber das ist immer der Situation geschuldet. Wir stehen manchmal bis zu 12 Stunden auf engstem Raum. Schön und wichtig ist es, dass man sich danach zum Feierabend wieder anschmunzeln kann und manchmal zusammen auch noch ein Bier oder Glas Wein trinkt.

Das ist mir auch noch ein wichtiges Anliegen: Mir ist nicht nur Nachhaltigkeit in Bezug auf Lebensmittel wichtig, sondern auch für das Arbeiten mit meinem Team. Mit seinem Personal verbringt man so viel Zeit in der Küche und deshalb sollte man sich die Arbeit so lebenswert wie möglich gestalten. Denn das wird oft vernachlässigt.

Plant ihr zusammen die Gerichte, die ihr kochen wollt?

Ich frage bei meinen Kollegen nach und jeder darf gerne immer Vorschläge bringen, aber meistens mache ich die Gerichtentwicklung. Ich habe eine Idee und frage danach meine Kollegen, ob sie sich das vorstellen können und dann koche ich den ersten Entwurf. Dann essen wir es immer gemeinsam und besprechen, was man ergänzen und wie man es verbessern könnte. Mehr Salz ? Mehr Säure? Was Knuspriges oder Cremiges dazu? Gemeinsam sorgen wir dafür, dass das Gericht nicht zu eindimensional ist.

Vielen Dank für das Gespräch, Benjamin!

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