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Gift in unserem Körper: Was du über Glyphosat wissen musst

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von SimonCooks

22.6.2017

Es ist das häufigst angewandte Herbizid der Welt: Von der riesigen Farm bis zum privaten Garten kommt es überall zum Einsatz. Untersuchungen haben es im Körper vieler Großstädter nachgewiesen. Wie kommt es dorthin? Ist es gefährlich für den Menschen? Und wo darf es eingesetzt werden? Ich habe die wichtigsten Antworten zusammengetragen.

Auf einmal war Glyphosat in aller Munde. Kaum eine Nachrichtensendung, in der es nicht auftauchte. Denn schließlich wird in diesem Jahr (2017) entschlossen, ob es in der EU auch in Zukunft eingesetzt werden darf. Aber Glyphosat – was ist das eigentlich?

Ein Herbizid, so viel wusste ich. Also ein Mittel, das Pflanzen tötet, die aus irgendeinem Grund unerwünscht sind. In der Regel, weil sie den Ertrag von Nutzpflanzen minimieren. Das Mittel sollte also gegen alles wirken, was man gemeinhin „Unkraut“ nennt.

Doch Glyphosat ist alles andere als unumstritten. Umweltschützer werfen ihm vor, große Schäden in der Natur zu verursachen und auch für den Menschen nicht ungefährlich sein. Das Wort „Krebsgefahr“ taucht in diesem Kontext immer wieder auf.

Ein weiterer Name, der in Berichten über Glyphosat oft fällt, ist Monsanto. Dieses amerikanische Unternehmen vertreibt das bekannteste Glyphosat-haltige Mittel: Roundup. Monsanto und Roundup – das klingt in meinen Ohren nach gentechnisch veränderten Pflanzen und chemischer Landwirtschaft. Nach Dingen, die einem ein schlechtes Gefühl geben, ohne dass man die Details kennt.

Weil das alles war, was mir zu dem Thema einfiel, beschloss ich nachzuforschen. Denn immerhin werden geschätzte 40 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche in Deutschland mit Glyphosat behandelt. Da ist es doch interessant zu wissen, was an den Krebs-Gerüchten dran ist und ob vielleicht sogar eine Spur Glyphosat in dem Apfel steckt, in den ich gerade beißen will.

Was ich bei meiner Recherche herausgefunden habe, möchte ich hier mit dir teilen.

Wie und wo wird Glyphosat eingesetzt?

Glyphosat ist in vielen Spritzmitteln enthalten. Das bekannteste ist Roundup. Diese Herbizide gibt es für den Großeinsatz in der Landwirtschaft, aber auch der Hobbygärtner findet sie in jedem Baumarkt. Der Wirkstoff hemmt ein bestimmtes Pflanzenenzym, das an der Bildung aromatischer Aminosäuren beteiligt ist. Ohne diese Aminosäuren wächst die Pflanze nicht weiter und stirbt.

Weil Glyphosat auch Nutzpflanzen umbringen würde, setzen die Landwirte in vielen Ländern gentechnisch veränderte Pflanzen ein, die gegen das Herbizid resistent gemacht wurden. Sie werden auch Roundupready genannt (kurz: RR).

In der EU sind diese RR-Pflanzen nicht zugelassen. Hier kommt Glyphosat vor allem zur Sikkation zum Einsatz. Dabei werden fast ausgereifte Pflanzen besprüht, um sie leichter ernten zu können, weil dadurch Pflanzenteile, die die Ernte erschweren, verdorren. Außerdem entfällt so das Pflügen der Stoppelfelder nach der Ernte. In Deutschland darf das Mittel nur vor der Aussaat eingesetzt werden.

Laut einer Studie der Universität Göttingen werden 40 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche in Deutschland mit Glyphosat behandelt (Stand 2012).

Kommen auch Menschen in Kontakt mit Glyphosat?

In Gebieten, wo Glyphosat großflächig versprüht wird, zum Beispiel mit dem Flugzeug wie in vielen Ländern Nord- und Südamerikas, kommen nicht nur die Landwirte selbst, sondern auch viele Unbeteiligte in Kontakt mit dem Pflanzengift.

Doch auch in Großstädten Deutschlands, wo ein direkter Kontakt eigentlich ausgeschlossen ist, wurde Glyphosat im Urin vieler Menschen nachgewiesen. Wie gelangt er dorthin? Eine Vermutung liegt nahe: über die Nahrung. Tests zeigen, dass Glyphosat in zahlreichen Getreideprodukten steckt. Über importierte Futtermittel gelangt es außerdem in Fleischprodukte.

Ist Glyphosat schädlich?

Glyphosat hat sich unter anderem deshalb so stark verbreitet, weil lange angenommen wurde, dass es nur auf Pflanzen wirkt, nicht auf Tiere oder Menschen. Mittlerweile ist man sich dessen nicht mehr so sicher.

Belegt ist jedem Fall seine Schädigung der Artenvielfalt: Das Gift tötet nicht nur vermeintliches Unkraut auf dem Acker, sondern auch Wildpflanzen in der Umgebung. Die fehlen vielen Tieren als Nahrung und Unterschlupf, vor allem Insekten und Vögeln.

Und auch die Wirkung auf den Menschen wird sehr kritisch untersucht: Besonders in Regionen Lateinamerikas klagen Menschen in Gebieten mit flächendeckender Glyphosat-Anwendung über gesundheitliche Beschwerden von Missbildungen bei Kindern bis zu Krebs.

Die offizielle Forschungslage ist sehr unübersichtlich und teils widersprüchlich. Das liegt zum einen daran, dass viele der Studien zu den gesundheitlichen Auswirkungen direkt aus der Chemieindustrie selbst stammen. Die meisten sind öffentlich nicht einsehbar, weil sie angeblich Betriebsgeheimnisse berühren. Somit sind sie auch nicht nachprüfbar.

Kürzlich wurden E-Mail-Wechsel bekannt, die nahelegen, dass Monsanto erheblichen Einfluss auf die amerikanische Umweltbehörde EPA genommen hat, die Glyphosat als relativ unbedenklich einstuft.

Die europäische Chemikalienagentur ECHA bewertete Glyphosat im März 2017 als nicht krebserregend. Es könne allerdings zu schweren Augenverletzungen führen und sei giftig für in Gewässern lebende Tiere und Pflanzen. Die ECHA hat dazu keine neuen Studien erstellt, sondern lediglich bereits existierende miteinander verglichen. Die Krebsagentur IARC der Weltgesundheitsagentur hatte Glyphosat im Jahr 2015 hingegen als krebserregend beim Menschen bewertet.

Wie geht es mit Glyphosat weiter?

Der ECHA-Bericht soll als Grundlage für die Entscheidung der Europäischen Kommission dienen, ob Glyphosat auch weiterhin in der EU zugelassen ist. Die aktuelle Zulassung läuft im Dezember 2017 aus. Eine neue Entscheidung ist also noch vor Jahreswechsel fällig. Bei der letzten Abstimmung haben 19 der 28 Mitgliedsländer für eine Verlängerung gestimmt. Sieben enthielten sich, darunter Deutschland.

Die Bundesregierung ist in der Frage gespalten. Agrarminister Christian Schmidt ist für eine Verlängerung, Umweltministerin Barbara Hendricks dagegen. Der Bund für Umwelt und Naturschutz sowie die Bürgerbewegung Campact und andere Gruppen sammeln aktuell Stimmen für ein Volksbegehren gegen Glyphosat.

Ist Glyphosat nötig?

Viele Glyphosat-Kritiker werfen den EU-Verantwortlichen vor, einen zentralen Leitgedanken in der europäischen Umwelt- und Gesundheitspolitik zu missachten: das Vorsorgeprinzip. Es besagt, dass angesichts der Möglichkeit irreversibler Schäden vorbeugende Maßnahmen getroffen werden sollten, auch ohne absolute Gewissheit, dass diese Schäden eintreten werden. Dass zum Beispiel die Erderwärmung eingedämmt wird, auch wenn sich nicht zu 100 Prozent beweisen lässt, welche genauen Schäden sie verursachen wird. Oder im Bezug auf Glyphosat: Dass Glyphosat verboten wird, auch wenn seine Schäden für Mensch und Natur noch nicht detailliert belegt, sondern teils nur vermutet werden können.

Das gängigste Argument für Herbizide wie Glyphosat ist eine Maximierung der Erträge. Im internationalen Kontext wird oft die These geäußert, dass die Ernährung einer stetig wachsenden Weltbevölkerung ohne derartige Mittel nicht möglich ist.

Einen Gegenbeweis versucht der Film Code of Survival von Bertram Verhaag, der drei Biobetriebe vorstellt, die ohne Chemie und Kunstdünger, dieselben Erträge erwirtschaften. Mehr darüber findest du in meiner Filmrezension zu Code of Survival.

Anmerkung: Das Titelbild zeigt einen Traktor beim Besprühen von Sojapflanzen und stellt nicht den erlaubten Einsatz in Deutschland dar. Hierzulande ist eine Glyphosatbehandlung nach der Aussaat verboten.

Bildnachweis: iStock.com/fotokostic

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